Betriebskrankenkassen fordern klare Reformen in der gesetzlichen Krankenversicherung
„Ostwestfalen-Lippe braucht eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung“
Ostwestfalen-Lippe, 21. Februar 2025 – Die Betriebskrankenkassen (BKK) in Ostwestfalen-Lippe fordern von der neuen Regierung, endlich die richtigen Weichen für eine nachhaltige und zukunftsfähige Gesundheitsversorgung zu stellen. Die jüngste Welle an Beitragserhöhungen ist nur ein Symptom für viel tiefer liegende Probleme.
Wenn jetzt nicht an den entscheidenden Stellschrauben in der Versorgung, Pflege, Finanzierung und Digitalisierung gedreht wird, sehen die Betriebskrankenkassen eine hochwertige und zugleich bezahlbare gesundheitliche Versorgung auch in OWL massiv bedroht. Nur durch eine grundlegende Neuausrichtung wird das deutsche Gesundheitswesen im internationalen Vergleich noch mithalten können.
Gemeinsam mit dem BKK Dachverband stellen die Betriebskrankenkassen in OWL sechs zentrale Forderungen an die zukünftige Regierung und das neue Gesundheitsministerium:
1. Versorgung besser machen – Sektoren überwinden
Lange Wartezeiten auf Facharzttermine, Aufnahmestopp für Neupatienten und große Unterschiede in der Behandlungsqualität – die medizinische Versorgung in Deutschland ist allzu oft nur Mittelmaß. Die Betriebskrankenkassen setzen auf ein Gesundheitssystem, das über den Tellerrand hinausblickt.
„Medizinische und digitale Vernetzung müssen Kern der Versorgung sein. Wir müssen die Sektoren überwinden, die Zusammenarbeit aller Gesundheitsberufe stärken und den Patienten wieder in den Mittelpunkt stellen“, fordert Thomas Johannwille, Vorstand der Bertelsmann BKK und Sprecher der BKK in OWL. Die Betriebskrankenkassen sehen sich dabei als Lotse an der Seite ihrer Versicherten. „Wir möchten die Patienten nicht allein lassen in unserem hochkomplexen Gesundheitswesen. Wir sind in unserer Kernregion OWL bereits seit Jahren aktiv, um Versorgungspfade zu verbessern, bürokratische Hürden abzubauen und das Patientenwohl in den Fokus zu rücken.
In unserem Projekt „Stroke OWL“ betreuen beispielsweise Patientenlotsen Schlaganfallpatienten nach der Akutstation im Krankenhaus über ein Jahr in der Nachsorge und verhelfen ihnen damit zu mehr Lebensqualität. Ein weiteres Beispiel ist das Gesundheitsprojekt „OPTI-MuM“, mit dem wir für eine integrierte medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten in der Region sorgen, indem Praxis, Krankenhaus und Pflegeeinrichtung abgestimmt zusammenarbeiten. So werden Doppeluntersuchungen vermieden und Wartezeiten verkürzt.“
2. Faire und verfassungstreue Finanzierung der GKV
Die jüngste Beitragserhöhung vieler gesetzlicher Krankenkassen zum Jahreswechsel hat auch die Versicherten in OWL stark getroffen. „Eine faire und verfassungstreue Finanzierung der GKV hätte diesen Beitragsschock verhindern können“, so Johannwille. „Der Beitragssatz könnte etwa 1,1 Prozentpunkte niedriger liegen, wenn die politisch Verantwortlichen ihre Hausaufgaben gemacht hätten.“
Wichtige Schritte wären aus Sicht der Betriebskrankenkassen, dass der Bund für die steigenden versicherungsfremden Leistungen aufkommt und faire Kassenbeiträge für Bürgergeldbeziehende leistet. Die Bundesländer müssen ihrer Pflicht nachkommen, Investitionen in die Krankenhäuser zu finanzieren. Und nicht zuletzt sollte wie in anderen EU-Ländern die Mehrwertsteuer auf Medikamente gesenkt werden.
3. Pflege – Zeit für einen Perspektivwechsel
Auch die Pflege in Deutschland steht vor großen Herausforderungen, die ebenso Ostwestfalen-Lippe betreffen. Nach Angaben des statistischen Landesamtes galten im Dezember 2023 1,39 Millionen Menschen und damit 7,6 Prozent der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen als pflegebedürftig – 16,4 Prozent mehr als 2021. „Zu lange wurde in der Pflege auf Sicht gefahren“, erklärt Johannwille. „Die soziale Pflegeversicherung ist faktisch pleite. Wir brauchen eine nachhaltige Reform, die langfristige finanzielle Stabilität und effiziente Strukturen schafft.
Zudem muss mehr für die Prävention von Pflegebedürftigkeit getan werden. Wir dürfen vor allem die Millionen pflegenden Angehörigen nicht im Stich lassen – sie sind das Rückgrat unserer Pflegeversorgung.“ Die Betriebskrankenkassen wollen die Pflege wieder zukunftssicher gestalten und mittelfristig eine umfassende Struktur- und Finanzreform anstoßen.
4. Prävention – der Schlüssel zu einer nachhaltigen Gesundheitsversorgung
„Als Betriebskrankenkassen erleben wir in OWL hautnah, wie wichtig Prävention für die langfristige Gesundheit ist“, so Johannwille. „Insbesondere in Betrieben sind wir sehr aktiv, um gesunde Strukturen und Prozesse zu unterstützen.“ Doch das deutsche Gesundheitssystem ist aktuell sehr auf die Behandlung von Krankheiten fokussiert. Im Jahr 2023 gaben die gesetzlichen Krankenkassen pro Versicherten insgesamt 4.126,01 Euro aus, für Präventionsmaßnahmen standen jedoch nur 8,49 Euro zur Verfügung. Das sind gerade einmal 0,2 Prozent. „Jahr für Jahr sterben in Deutschland Menschen aufgrund von Krankheiten, die durch Prävention hätten vermieden werden können. Als Betriebskrankenkassen wollen wir unseren Versicherten vielmehr helfen, gesund zu bleiben. Prävention muss Vorrang haben“, betont Johannwille.
5. Sozialgesetzbuch (SGB) neu denken
„Das bestehende Sozialgesetzbuch ist nicht nur veraltet, es hemmt auch die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems“, erklärt Johannwille. „Wir brauchen ein neues SGB, das Transparenz, Flexibilität und vor allem eine bessere Versorgung der Patientinnen und Patienten ermöglicht. Die bisherigen Regelungen führen zu unnötigen Bürokratiemonstern und Fehlanreizen, die die Qualität der Versorgung eher mindern als steigern. “
Ein neues SGB sollte aus Sicht der BKK den Zugang zu medizinischen Leistungen vereinfachen, die einzelnen Versorgungsbereiche (Arztpraxis, Krankenhaus, Pflegeeinrichtung) besser miteinander vernetzen, ein einheitliches Vergütungssystem schaffen und die Krankenkassen in einen Wettbewerb um die beste medizinische Versorgung treten lassen.
6. Nachhaltigkeit – für eine gesunde Zukunft
Schon heute sind die Gesundheitssysteme in Europa mit einer steigenden Zahl umweltbedingter Erkrankungen und deren Kosten konfrontiert. Dabei trägt das deutsche Gesundheitswesen selbst erheblich zu den Umweltproblemen bei: So verursacht es etwa eineinhalb Mal so viel klimaschädliches Kohlendioxid wie der Flugverkehr! „Unser Gesundheitssystem von morgen muss nicht nur die Kostenseite im Blick haben, sondern muss auch die Umwelt und damit die Gesundheit der Menschen berücksichtigen“, so Johannwille. „Wir brauchen nicht nur ein Wirtschaftlichkeits- sondern auch ein Nachhaltigkeitsgebot.“
Die Betriebskrankenkassen in Ostwestfalen-Lippe sind sich einig: Ein gut aufgestelltes Gesundheitssystem ist entscheidend für den Wohlstand und die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger. Die Politik muss jetzt handeln, um die Weichen für eine zukunftsfähige Versorgung zu stellen.
Zurück