Mental Load: Was tun gegen den unsichtbaren Stress im Alltag?
Wann muss das Kind zum Zahnarzt? Was muss noch auf die Einkaufsliste? Was steht im Haushalt an? Im Alltag beschäftigen uns viele Fragen. Wenn es zu viel wird und die Gedanken überhandnehmen, leidet unser Wohlbefinden. Diese mentale Last wird auch als „Mental Load“ beschrieben. Was dahintersteckt und wie wir wieder zu innerer Ausgeglichenheit finden, erklärt Psychologin Dr. Sonia Jaeger.
Frau Dr. Jaeger, was bedeutet Mental Load eigentlich?
Unter Mental Load versteht man die kognitive Belastung, die durch die vielen unsichtbaren – und damit auch selten gewürdigten – Denkaufgaben entsteht, die besonders häufig von Frauen übernommen werden.
Was sind konkrete Beispiele aus dem Alltag, die Mental Load begünstigen können?
Es geht vor allem um die Planung, Terminkoordination sowie die Organisation von Aufgaben im alltäglichen Leben. An den nächsten Elternsprechtag denken, Arzttermine im Blick haben, die Einkaufsliste nicht vergessen. Es sind häufig diese unsichtbaren Aufgaben, die neben dem bereits bestehenden Tagesablauf zwischen Beruf und Familie erledigt werden müssen. Summieren sie sich und werden dann auch noch von einem Menschen allein getragen, können sie immer mehr überfordern.
Wer ist von Mental Load betroffen?
Wir alle erleben Mental Load. Zum Problem wird es meist dann, wenn es als übermäßig viel und vor allem als unausgeglichen erlebt wird. Häufig sind Alleinerziehende betroffen, die bei der Kinderbetreuung komplett auf sich gestellt sind. Aber auch zwischen Eltern, Paaren, im Freundeskreis oder unter Geschwistern kann es zum Ungleichgewicht der Aufgabenverteilung kommen – und vermehrt zu mentaler Belastung.
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In welchem Maße verteilt sich Mental Load typischerweise zwischen Mann und Frau?
Nach wie vor ist es so, dass Frauen oft mehr Organisationsarbeit im Alltag und somit auch mehr Mental Load übernehmen. Hierbei spielen soziale Normen, traditionelle Geschlechterrollen und kulturelle Erwartungen tatsächlich eine ganz entscheidende Rolle.
Wie äußert sich Mental Load in Bezug auf die eigene Gesundheit?
Die Warnsignale des Körpers variieren individuell sehr stark: Erste Anzeichen können Erschöpfung, Schlafstörungen oder erhöhte Reizbarkeit sein. Körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden können folgen. Die Last kann sich zu chronischem Stress und Überforderung bis hin zum Burn-out zuspitzen.
Wie kann Mental Load überwunden werden?
Der erste Schritt ist, sich der mentalen Last bewusst zu werden. Das bedeutet, eingespielte Interaktionsmuster in Familien und Beziehungen zu hinterfragen, aber auch die eigenen Gedanken und Impulse zu reflektieren. Man sollte mit seinem Gegenüber das Gespräch suchen und die Aufgabenverteilung besprechen. Es hilft, einen „Kassensturz“ der Aufgaben zu machen und sich einen Überblick zu verschaffen, um im nächsten Schritt die Tätigkeiten neu zu verteilen.
Reicht es, nur zu reden und aufzuteilen, oder bedarf es langfristiger Techniken?
Wichtig ist, dem Partner oder der Partnerin zu vertrauen, dass er oder sie die Aufgaben tatsächlich erledigt. Dabei muss man akzeptieren und loslassen können, denn man gibt auch ein Stück weit die Kontrolle ab. Gleichzeitig darf sich die andere Person nicht darauf verlassen, stetig an etwas erinnert zu werden. Denn genau diese Verantwortung und das Gefühl, alles im Blick haben zu müssen, trägt maßgeblich zu Mental Load bei.
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Welche weiteren Maßnahmen können helfen?
Wenn Gespräche und die Umverteilung von Aufgaben nicht ausreichen, um die Belastung zu reduzieren, können Maßnahmen gegen Stress und zur Selbstfürsorge die Auswirkungen der mentalen Belastung reduzieren. Im Ernstfall kann auch die kognitive Verhaltenstherapie helfen, Denk- und Verhaltensmuster zu erkennen und zu verändern. Es gibt viele Möglichkeiten, aber eines steht fest: Mit der richtigen Unterstützung finden Betroffene wieder zurück zum Wohlbefinden!